Frau Krieckhaus, wie läuft ihr Beratungsgeschäft heute?
Super. Ich kann mich wirklich nicht beklagen: Bei mir sind heute 15 Gespräche gebucht. Im Ranking der 60 AHKs, die hier dabei sind, liegt meine AHK auf Rang 1. Das muss wohl an mir liegen (lacht). Immerhin bin ich jetzt schon seit 23 Jahren bei der AHK.
Hat das Interesse an Indien in den vergangenen Jahren zugenommen?
Ja, das spüren wir ganz stark. Die Zahl der Unternehmer-Anfragen ist extrem nach oben gegangen. Was ich noch wichtiger finde: Auch die Art der Anfragen hat sich in jüngster Zeit völlig verändert.
Was hat sich da verändert?
Noch vor vier oder fünf Jahren haben die Unternehmen bei uns angefragt: Naja, Indien, wie sieht es da denn aus? Dann hat man erst einmal eine Weile nichts mehr gehört bis die sagten: Jetzt könnten wir uns vorstellen, nach Indien zu gehen. Von der ersten Anfrage bis zur Entscheidung "Wir legen jetzt los" vergingen ein- bis eineinhalb Jahre. Wir mussten auch immer wieder nachbohren, die Leute haben einfach Zeit gebraucht.
Fällt die Entscheidung für Indien heute leichter?
Also wir reden jetzt über den Mittelstand, die Konzerne sind sowieso schon alle da. Mittlerweile kommen die Firmen zu uns und sagen: Indien. Da gibt es kein Zögern und Diskutieren mehr. Sie wollen jetzt in Indien ins Geschäft kommen. Das ist das, was sich geändert hat.
Warum glauben die Unternehmen jetzt an den indischen Markt?
Mit knapp 1,5 Milliarden Einwohnern ist Indien das bevölkerungsreichste Land der Welt. Schon das macht klar, wieviel Chancen Indien deutschen Unternehmen bietet. Zugleich muss ich aber warnen: Indien ist kein Markt für Anfänger. Mit der Denke, ich marschiere einfach mal los, ich gründe, wird man dort scheitern.
Wozu raten Sie?
Auf Indien muss man sich wahnsinnig gut vorbereiten. Und das selbst dann, wenn man nur Waren exportiert. Schon da stellt sich sofort die Frage: Muss ich mein Produkt für den indischen Markt zertifizieren lassen? Das ist ein riesiges Thema. Die nächsten Fragen lauten: Was ist, wenn ich nur Dienstleistungen exportiere? Wie sieht es mit den Steuern aus?
Das klingt alles nicht sehr einladend.
Ja, das ist mühsam. Aber Indien kann eben ein sehr lohnender Markt sein, wenn man diese Probleme im Griff hat. Eine Botschaft ist mir wichtig: Deutsche Unternehmen brauchen in Indien extrem viel Geduld und ein gutes Netzwerk.
Für das gute Netzwerk sorgt ja Ihre AHK. Was sind das für Firmen, die sich für Indien interessieren? Aus welchen Branchen kommen die?
Das ist völlig unterschiedlich. Aus unserer Sicht ist es jedenfalls erfreulich, dass Unternehmen aus allen Branchen heute sehen, welche Chancen Indien bietet. Das gilt für die Hersteller von Konsumartikeln, für den klassischen Maschinenbau und für die deutsche Autoindustrie, die dort Produktion aufbaut, um den indischen Markt zu versorgen.
Wie kann ein bayerisches Unternehmen abschätzen, ob es in Indien Erfolg hat?
Ich halte zwei Fragen für entscheidend. Die erste lautet: Wie gut lässt sich mein Produkt in Indien verkaufen? Die zweite lautet: Wie sieht es im restlichen asiatischen Markt aus? Indien bietet eben nicht nur einen gigantischen Markt von potenziellen Konsumenten, es ist auch zentral gelegen.
Indien wäre also auch ein guter Brückenkopf für das Geschäft in den Nachbarländern.
Ja, unbedingt. Man sollte sich anschauen, welche Handelsverbindungen Indien pflegt, ob man dort auch von Freihandelsabkommen profitieren kann. Auf was wir natürlich alle hoffen, ist, dass das Wunder tatsächlich passiert: Bis Ende des Jahres soll das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien stehen.
Glauben Sie daran?
Die Gespräche laufen schon lange. Dann ist das Ganze etwas eingeschlafen, in jüngster Zeit haben die Verhandlungen aber wieder richtig Fahrt aufgenommen. Und die indische Regierung verkündet schon, Ende des Jahres sei das Abkommen beschlossen. Viele, auch ich, sind da noch skeptisch. Sollte es so kommen, wäre das für die Wirtschaft beider Seiten wunderbar. Dann würde das Thema Indien bei unseren Unternehmen noch einen großen Schub bekommen.
Aber es gibt auch innerhalb Indiens einige Hürden zu nehmen.
Das stimmt. Indien ist nicht gleich Indien, das ist so eine schöne AHK-Phrase, aber sie trifft zu. Die Leute im Norden sind schon vom Aussehen her ganz anders als im Süden, es gibt unterschiedliche Sprachen, Gepflogenheiten und Feste. Indien ist nicht nur die größte Demokratie der Welt, sondern auch eine der vielfältigsten. Es gibt 28 Bundesstaaten, in denen nicht immer die Partei regiert, die in Neu-Delhi an der Macht sitzt. Das führt zu Spannungen und Konflikten, Bundesstaaten regeln sehr viel in Eigenregie.
Was bedeutet das für ein deutsches Unternehmen, das dort Geschäfte machen will?
Es immer gut, aha!, wenn man sich mit der AHK Indien austauscht und mit unserer Hilfe dort ein Netzwerk aufbaut. Wenn man einen Vertriebspartner sucht, darf man nicht auf die Idee kommen: Ich suche mir jetzt den einen, der für mich den gesamten indischen Markt beackert. Das funktioniert einfach nicht. In Indien sagt man nicht zufällig „all business is local“. Dafür braucht es viele Kontakte.
Indiens Regierung hat sehr ehrgeizige Ziele. Das Land soll bei Schlüsseltechnologien aufschließen zur Weltspitze. Was könnten bayerische Firmen dazu beitragen?
Das ist tatsächlich ein zentraler Punkt. Indiens Regierung ist nicht nur daran interessiert, dass unsere Firmen in Indien investieren und Geschäft machen. Die Regierung sucht vor allem Partner, die ihr Land voranbringen. Eine Überlegung steht ganz oben auf der Agenda: Was schafft Arbeitsplätze? Pro Monat drängen in Indien eine Million Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt. Man kann sich das kaum vorstellen: pro Monat! Die muss man erst einmal in Lohn und Brot bringen. Dazu kommt das große Versprechen auf mehr Wohlstand.
Welche Partner aus unserer Wirtschaft bietet sich dafür an?
Den Maschinenbau habe ich schon erwöhnt. Der könnte indische Firmen dazu verhelfen, eigene Konsumgüter zu produzieren. Die indische Autoindustrie wächst, obwohl man auf den Straßen von Bangalore den Eindruck hat, zu Fuß wäre man schneller unterwegs. Aber die wachsende Mittelschicht im Land formuliert sehr deutlich ihre Wünsche – und dazu gehört das eigene Auto.
Indiens Geschichte ist voller Konflikte, die Spannungen mit Pakistan halten an. Wie stabil ist die politische Lage im Land?
Momentan ist die stabil. Die große Frage lautet, ob das in zehn Jahren noch so ist. Anfang des Jahres ist der Konflikt mit Pakistan wieder aufgeflammt. Da gab es für die Bevölkerung sogenannte Drills, um den Notfall zu üben. Zum Glück hat sich die Lage wieder beruhigt. Klar ist aber auch, dass dieser Konflikt weiter schwelt.
Falls man in Indien eine Niederlassung plant – gibt es dort Personal oder muss an seine eigenen Leute mitbringen?
Man findet in Indien mit Sicherheit geeignetes Führungspotenzial. Aber das ist eine Frage, die jedes Unternehmen für sich entscheiden muss. Es kann Vorteile bringen, einen eigenen Expat in Indien zu haben. Es kommt aber relativ häufig vor, dass deutsche Firmen dort einen indischen Geschäftsführer haben. Aber selbst dann müssen sie regelmäßig persönlich nach Indien fliegen. Den Aufwand sollte man nicht unterschätzen.
Entscheidend ist doch wohl, was man in Indien verkauft. Software programmieren die selbst.
Wie schaut es etwa mit Erneuerbaren Energien aus?
Grüne Technologien sind schon deshalb ein Riesenthema, weil die Luft in den Städten so schlecht ist. Erneuerbare Energien werden daher extrem ausgebaut, die E-Mobilität soll steigen, ja, und auch neue Kohlekraftwerke werden gebaut, weil der Energiebedarf so groß ist.
Wie finden Sie diese Verantstaltung hier in der IHK?
Schön. Die Trade & Connect ist für mich jedes Jahr ein Highlight in meinem Kalender. Für uns als AHK ist es ganz wichtig, den direkten Kontakt zu den Unternehmen zu haben. Dafür ist diese Veranstaltung einfach ideal.